Demokratie stärken!

... war die Grundaussage des Studientags der Gruppe „Frauen wagen Frieden“ am 3. Februar im Martin-Butzer-Haus in Bad Dürkheim. Knapp 50 Frauen und Männer waren gekommen. Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit und Gleichwürdigkeit aller Menschen, egal, welchen Geschlechts oder welcher Hautfarbe, egal ob gesund oder behindert. Das macht in den Augen von Claudia Kettering Demokratie aus. Die Referentin in der Evangelischen Frauenarbeit eröffnete mit einer kurzen Andacht, in der der Segensauftrag, ein in der Bibel zu findender urdemokratischer Auftrag im Mittelpunkt stand, die ökumenische Veranstaltung „Demokratie in Gefahr?!“

Torsten Wilhelm, Geschäftsführer von Pro Familia Kaiserslautern und Annette Heinemeyer, Gleichstellungsbeauftragte der Evangelischen Kirche der Pfalz, bei ihrem Vortrag.

Eine weitere Definition von Demokratie stellte Uwe Albrecht, Referent beim Alfred-Bender-Zentrum, St. Wendel vor. Er verdeutlichte, dass Demokratie etwas Großes ist, auf jeden Fall mehr, als alle vier Jahre wählen zu gehen. Das Demokratieprinzip, erläuterte er, fuße auf der Anerkennung von Wahlen und Mehrheitsentscheidungen bei gleichzeitigem Minderheitenschutz. Die Grundlage dafür bildet der Artikel 1 des Grundgesetzes, nach dem die Würde des Menschen unantastbar ist. „Und die Menschenwürde gehört zur DNA unseres Landes.“ Sie werde dann verletzt, wenn einer den anderen beschäme.

Der Referent konstatierte, dass Demokratie funktioniert, wenn gute Kommunikation gelingt, wenn Menschen eingebunden und nach ihren Bedürfnissen befragt werden. Mitbestimmung zulassen, Entscheidungskompetenz akzeptieren, Entscheidungsmacht übertragen - das sind wesentliche Faktoren der Demokratie, die bereits in der Schule eingeübt werden können. „Demokratie ist tatsächlich anstrengend und aufwendig.“

Obwohl Demokratie zu den besten Regierungsformen zählt, ist sie auch hierzulande nicht mehr sicher. Mehrheitsentscheidungen, bekräftigte Albrecht, werden immer weniger anerkannt, Kompromisse lassen sich kaum noch schließen. Dafür verbreiten sich demokratiefeindliche Einstellungen. Gerade vom rechten Rand gehe eine zunehmende Bedrohung aus. Worin liegt diese begründet? Die rechte Ideologie strebt ein homogenes Volk an mit einheitlicher Abstammung, Herkunft und Kultur. „Kulturen dürfen sich nicht vermischen“, lautet deren Devise. Ansonsten komme es zu Konflikten.

Rechtspopulisten und - in gesteigerter Form - die Rechtsextremisten arbeiten mit Feindbildern: „Wir gegen die – Muslime, Juden, Migranten“; seit der Pandemie zählen auch Wissenschaftler und Journalisten dazu. Die liberale Gesellschaft ist ihnen ein Dorn im Auge. Der Referent stellte klar, dass nicht nur die rechten Parteien, die übrigens selbst recht unterschiedliche Denkansätze vertreten, dieses Gedankengut pflegten und verbreiteten. Nein, auch Burschenschaften, ein Teil der Querdenker, Verlage, Reichsbürger, die Pius-Brüder, Think Tanks, Kampfsportgruppen, Vereinigungen oder Medien.

Vom Rechtsextremismus ist der Weg nicht allzu weit zum rechtsextremen Terror. Darunter fielen Verschwörungstheorien wie die vom „Großen Austausch“ oder der „Großen Transformation“, führte Albrecht aus. Sie besagen, dass die Eliten schalten und walten werden, wenn das Ziel erreicht ist. Die Eliten wiederum sind vor allem die Juden, „die Wurzel allen Übels“. Gern würden Untergangsszenarien gemalt: In Verantwortung ist die aktuelle Politik, die als Feind des Volkes gesehen wird. Dagegen wehren sich die „Guten“; das sind die Rechten, die sich, so sagen sie, auf der Seite der sogenannten kleinen Leute stehen. Die AfD und ähnliche Parteien oder Gruppierungen, unterstrich der Referent, arbeiteten nicht mit Logik, sondern mit Emotionen. Sie verstünden es perfekt, die Menschen anzusprechen.

In Gruppen erarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mögliche Gegenmaßnahmen: Kindern demokratisches Verhalten beibringen. Dieser Schritt erfordert, Erzieherinnen, Lehrkräfte und Sozialarbeiter vorzubereiten und zu sensibilisieren. Mahnwachen organisieren, an Demos teilnehmen, Online-Petitionen weiterleiten, Leserbriefe schreiben, Arbeitsgruppen oder Gremien, die sich für Demokratie und Freiheit einsetzen, unterstützen oder gründen. Weiter ist es wichtig, Stammtischparolen entgegenzutreten und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen.

Rechtsextreme Parteien und Gruppierungen unterminieren nicht nur die Demokratie generell. Sie kämpfen gegen Liberalisierung und Emanzipation und für die Beibehaltung des Patriarchats. Unter dem Motto „Antifeministische Strömungen und das alltägliche Unrecht gegen Frauen“ zeigten Annette Heinemeyer, Gleichstellungsbeauftragte der Evangelischen Kirche der Pfalz, und Torsten Wilhelm, Geschäftsführer von Pro Familia, Kaiserslautern, deren Strategien auf.

„Feminismus geht alle an – alle, die gleiche Rechte, gleiche Freiheit haben wollen, unabhängig von Geschlecht, sexueller Identität, Aussehen, Herkunft und Fähigkeiten.“ Und „Feminismus ist der strukturelle Gegenentwurf zum Patriarchat.“ Anhand der Zitate von Margarete Stokowski und Kristina Lunz erklärte Heinemeyer, Feminismus. Auch wenn das Streben nach Gleichberechtigung schon viele Früchte gezeitigt hat, wusste die Referentin noch viele Formen „alltäglichen Unrechts gegen Frauen“ zu benenn: So glaubt die Hälfte der Weltbevölkerung, dass Männer die besseren politischen Führer sind, mehr als ein Viertel findet es in Ordnung, wenn ein Mann seine Frau schlägt. Haarschnitte oder manche Produkte für Frauen sind teurer als die für Männer.  

Antifeministische Bewegungen kommen massiv daher: Ihnen eigen ist Misogynie und Queerfeindlichkeit, sie sind gegen die sexuelle Selbstbestimmung, vertreten Familismus und Allmachtsvorstellungen. Die geschlechtliche Ordnung ist das Patriarchat, wie die Referentin anhand des Antifeminismus-Baums von Rebekka Blum darlegte. Konkret äußert sich der Antifeminismus in Falschinformationen, Herabwürdigungen, Forderung nach Abschaffung von Gleichstellungsstellen und Genderforschung sowie Verschwörungstheorien.

Von einer „Agenda Europe“, die die angebliche „natürliche Ordnung wiederherstellen“ will, berichtete Torsten Wilhelm. Ziele der religiösen und rechten Extremisten sind, das Gesetz von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufzuheben, den Verkauf von Empfängnisverhütungsmitteln und künstliche Befruchtung zu verbieten, die EU-Rechtsvorschriften zur Gleichbehandlung abzuschaffen.

Mit verschiedenen Strategien könnte gegen diese antifeministischen Haltungen vorgegangen werden, wussten Wilhelm und Heinemeyer. Einen Schwerpunkt sahen sie in der Bildungs- und der sozialen Arbeit, im politischen Engagement, im Stärken von Gleichstellungsarbeit, im Vermitteln von Medienkompetenz oder im Nutzen von Meldestellen. Wichtig ist in ihren Augen, dass sich jede und jeder informiert, vernetzt und widerspricht, wo angebracht.

Mit einem Segensgebet beendete Regina Wilhelm, Referentin im Fachbereich Arbeitswelt im Bistum Speyer, den Tag. Für Begrüßung und Moderation zeichnete Bärbel Schäfer, Sprecherin der Gruppe "Frauen wagen Frieden“, verantwortlich.

Text: Regina Wilhelm